Oxfam: "Superreiche setzen Planeten
in Brand"

O2-intensives Statussymbol der Reichen: der Sportwagen. Foto: epd Jürgen Blume
Jeden Tag sind die Allerreichsten der Welt laut der Entwicklungsorganisation Oxfam jeweils für so viel CO2-Ausstoß verantwortlich wie ein Armer im ganzen Jahr. Für die Pariser Klimaziele ist das verheerend.
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BERLIN (epd). Mit ihrem Konsum und ihren Investitionen heizen Superreiche nach Recherchen von Oxfam die Klimakrise deutlich an: Eine Person aus dem reichsten 0,1 Prozent der Weltbevölkerung verursache am Tag so viele CO2-Emissionen wie eine Person der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung im gesamten Jahr, erklärte die Entwicklungsorganisation zu ihrem am 29. Oktober veröffentlichten Bericht „Climate Plunder“.
Die Analyse offenbare die drastischen Unterschiede zwischen reichen und ärmeren Bevölkerungsschichten bei den weltweiten COâ‚‚-Emissionen. „Diese Zahlen machen klar: Die Klimakrise ist eine Krise der Ungleichheit“, betonte Oxfam-Referent Manuel Schmitt. „Superreiche setzen unseren Planeten in Brand, während die Ärmsten, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, schon heute massiv von ihren Folgen getroffen werden.“
800 Kilo CO2 pro Person und Tag
Der von Superreichen täglich verursachte CO2-Ausstoß von 800 Kilo pro Person „entspricht ungefähr elf Waschmaschinen, selbst der stärkste Mensch der Welt könnte es nicht stemmen“, erklärte Oxfam. „Im Gegensatz dazu verursacht ein Mensch aus der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung im Schnitt nur zwei Kilogramm CO2 pro Tag, was ein kleines Kind heben könnte.“
Neben der Klimabelastung durch den Konsum seien Milliardärinnen und Milliardäre auch für enorme Mengen an CO2-Emissionen durch ihre Investitionen in Unternehmen verantwortlich: 308 dieser Superreichen verantworteten mehr Emissionen als 118 Länder zusammen, führte Oxfam aus. Durchschnittlich verursachten sie allein durch Investitionen jährlich 1,9 Millionen Tonnen CO2 - etwa 346.000-mal mehr als ein Mensch im Durchschnitt. Dabei gingen fast 60 Prozent ihrer Investitionen in klimaschädliche Sektoren wie Öl und Gas.
Enorme Kluft in Deutschland
Für die im Klimaabkommen von Paris vor zehn Jahren festgelegte Zielmarke, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, müssten die reichsten 0,1 Prozent der Menschen laut Oxfam ihre durchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen bis 2030 um 99 Prozent reduzieren. Auch in Deutschland sei die Kluft enorm: Eine Person aus dem reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung verursache pro Jahr 52 Mal mehr Emissionen als eine Person aus den ärmsten 50 Prozent. Zudem steige die durchschnittliche Klimabelastung bei den reichsten Bevölkerungsgruppen überproportional an.
Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, „dass insbesondere reiche Bevölkerungsschichten und Superreiche den Planeten nicht weiter verheizen“, erklärte Oxfam-Referent Schmitt. Sie müssten aus Hauptverursacher der Klimakrise einen finanziellen Beitrag zu deren Bewältigung leisten. Wirtschaftlich benachteiligte Länder und ärmere Bevölkerungsschichten müssten bei der Bewältigung der Klimakrise angemessen unterstützt werden.
„Es sind nicht die Menschen mit kleinem Geldbeutel, die das Problem verursachen, weder bei uns noch in anderen Teilen der Welt“, erklärte Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) zu dem Bericht. „Den größten ökologischen Fußabdruck haben die Reichen und Superreichen mit ihrem Konsum und ihren Aktienportfolios. Die Antwort darauf muss eine engagierte und soziale Klimapolitik sein.“
Lust auf großes Versprechen: Verloben ist
wieder beliebt

Ein Paar steckt sich Ringe an. Foto: epd Hans Scherhaufer
Antrag, Ring und Blumen - die Verlobung dient nicht nur der reinen Inszenierung auf Instagram und Co., sondern befriedigt auch eine Sehnsucht nach Treue und Geborgenheit. Lange galt sie als verstaubtes Ritual. Doch das hat sich geändert.
Von Kerstin Hergt (epd)
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Sie hat Ja gesagt. Und der Jubel darüber ging um die Welt: Im August gaben Taylor Swift und Travis Kelce auf Instagram ihre Verlobung bekannt. Die erfolgreichste Sängerin ihrer Generation und der charismatische American-Football-Star posierten dafür in einem Rosenmeer. Der Verlobungspost erntete Millionen Likes. Warum dieser Wirbel um ein Heiratsversprechen? Und ist die Inszenierung nicht ziemlich spießig für eins der derzeit coolsten Promi-Paare?
Besonders hierzulande galt eine offizielle Verlobung in den vergangenen Jahrzehnten eher als verstaubt, das traditionelle Werben des Mannes um die Braut mit Blumen und Ring als nicht besonders zeitgemäß. Doch mittlerweile hat sich das Image offenbar gewandelt: Die Verlobung, also das Eheversprechen, ist für viele junge Menschen keinesfalls spießig, sondern ein Liebes- und Treuebeweis.
„Wir haben uns 2023 verlobt, weil wir den nächsten Schritt in unserer Beziehung gehen wollten, nachdem wir schon fünf Jahre zusammen waren“, berichtet Lasse. Er und seine Verlobte Paula sind beide 24 und führen eine Fernbeziehung. Lasse studiert in Hannover, Paula macht eine Ausbildung in Hamburg. Für beide war von Anfang an klar, dass die Verlobungszeit lange dauern wird. Heiraten wollen sie erst in zwei Jahren, wenn sie ihre Abschlüsse haben. Doch ihnen sei wichtig gewesen, sich schon vorher auf eine gemeinsame Zukunft festzulegen, unterstreicht das Paar.
Trend zur Bekanntgabe auf Social Media
In Umfragen wie der Shell- oder der Sinus-Jugendstudie zählen eine funktionierende Familie und eine vertrauensvolle Partnerschaft zu den wichtigsten Lebenszielen junger Menschen. Gleichzeitig rücken angesichts einer zunehmend unsicheren politischen Weltlage Verlustängste in den Vordergrund. Die Verlobung ist auch eine gegenseitige Versicherung dessen, dass man zusammenhält, füreinander da ist. Das Band wird noch einmal stärker geknüpft.
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„So erlebt man als Paar noch einmal eine besondere Phase der Beziehung“, sagt Paula. Die Idee mit der Verlobung kam von Lasse, doch sie haben sich gegenseitig einen Ring geschenkt. Anschließend haben sie nur Familie und Freunden davon berichtet. „Uns war wichtig, diesen Schritt eher im privaten Kreis zu teilen“, betont Lasse.
Viele andere machen dagegen ihr Heiratsversprechen in den sozialen Medien publik. Kerry Howard, Hochzeitsplanerin aus Hamburg, beobachtet hierzulande „schon seit einigen Jahren einen klaren Trend hin zu offiziellen Verlobungen mit Bekanntgabe auf Social Media“. Die Verlobung bilde heute ein „eigenständiges, emotionales Kapitel mit Event-Charakter“.
Verlobung kann juristische Folgen haben
In Deutschland sei das eine eher neue Entwicklung, berichtet die gebürtige Britin. In Großbritannien dagegen habe das öffentliche Zelebrieren und Feiern der Verlobung eine lange Tradition.
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Ihren Ursprung hat die Verlobung in der Antike - und war lange Zeit eine wenig romantische Angelegenheit. Vielmehr war sie der erste Schritt zu einer arrangierten Ehe. Bei den Römern erfolgte der Antrag unter Zeugen. Entscheidend war nicht das Ja der Braut, sondern das des Brautvaters. Galt die Verlobung als besiegelt, hatte sie auch rechtliche Konsequenzen: Der Familie der Braut war es möglich, den Bräutigam zu verklagen, sollte er sein Eheversprechen nicht einhalten.
Juristische Folgen kann das Verlöbnis auch heute haben: So regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 1298, dass im Falle einer Trennung Verlobte oder ihre Eltern Schadensersatzansprüche geltend machen können, wenn sie „in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht haben oder Verbindlichkeiten eingegangen sind“. Auch Geschenke, etwa ein Ring, können zurückgefordert werden. Darüber hinaus haben Verlobte vor Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Segensagentur bietet Alternative zur Inszenierung auf Instagram und Co.
Die Verlobung ist zwar nur die Vorstufe der Ehe, hat aber dennoch Gewicht - auch in der Kirche. Verlobte können den Segen der Kirche erbitten. Zum Beispiel bei der Anfang 2025 gegründeten Segensagentur „Sozusegen“ in Hannover unter Leitung von Pastorin Claudia Maier. Der Segen soll Kraft spenden und zum Innehalten einladen. Für Claudia Maier ist das Ritual „ein Rastplatz im Leben“.
Dabei ist der Pastorin wichtig zu betonen, dass das nichts mit einer magischen Schutzformel zu tun habe, die vor negativen Entwicklungen in der Zukunft bewahre: „Wir segnen, was ist.“ Der Segen solle vermitteln, dass das Paar auf Gott an seiner Seite vertrauen könne. Außerdem stelle das Segnen zwei sich liebender Menschen eine Alternative zur Inszenierung auf Instagram und Co. dar. „Wir schaffen eine Art inneres Foto“, sagt die Pastorin.
In der Bundeswehr „Demokratie und Freiheit
verteidigen“

Soldatin Jaida im Zelt während der Basisausbildung auf dem Truppenübungsplatz der Panzerdivision in Munster. Foto: epd Detlef Heese
Junge Rekruten haben sich auf dem Truppenübungsplatz Munster in ihrem Biwak eingerichtet. Sie haben sich freiwillig zum Wehrdienst gemeldet und üben erstmals, sich im Gelände zu verteidigen.
Von Martina Schwager (epd)
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MUNSTER. Oberstleutnant Gilles Seifert schafft gleich mal Klarheit: „Wir sind hier ein Kampfverband“, sagt der Presseoffizier der Panzerlehrbrigade 9 „Niedersachsen“ in Munster, und weiter: „Der größte Heeresstandort in Deutschland mit 5.000 Soldaten, zahlreichen Puma- und Leopard-Panzern mit großer Feuerkraft.“ Auf einem Info-Plakat im Konferenzraum der Brigade fällt das Wort „kriegstauglich“ ins Auge.
Was das bedeutet, lässt sich im Wald des zweitgrößten europäischen Truppenübungsgeländes, Munster Nord, beobachten: Junge Männer und Frauen in Tarnuniform, mit dunkel geschminkten Gesichtern treiben im Schützengraben ihre Spaten in den sandigen Boden. „Ich packe gerne an“, sagt Patrick W. (28), der seit Anfang Juli Soldat auf Zeit ist.
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Mehr Soldaten seit Überfall auf die Ukraine
Für ihn und die übrigen rund 40 Kameradinnen und Kameraden der Gruppe ist es das erste Biwak innerhalb der sechsmonatigen Basisausbildung. Drei Tage lang müssen sie sich mit ihrer gesamten Ausrüstung im Wald einrichten. „Am Ende der Ausbildung müssen sie marschieren können, im Gelände überleben und sich verteidigen können“, sagt Lukas R., Chefausbilder der 5. Kompanie des Versorgungsbataillons 141.
Patrick hat sich freiwillig für zwölf Jahre verpflichtet. Er ist einer von derzeit rund 114.000 Soldaten und Soldatinnen auf Zeit in der Bundeswehr. Dazu kommen rund 11.000 Männer und Frauen, die einen freiwilligen Wehrdienst zwischen 7 und 23 Monaten leisten. Außerdem gehören noch knapp 60.000 Berufssoldaten der Bundeswehr an. Die Zahlen sind seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine gestiegen.
„Drohnen sind die größte Bedrohung“
Der Ukrainekrieg sei auch für ihn ein Auslöser gewesen, erzählt Patrick. Der gelernte Großhandelskaufmann hat die Unteroffizierslaufbahn eingeschlagen: „Ich hatte eine schöne Kindheit und möchte Freiheit und Demokratie in unserem Land verteidigen.“ Einige seiner Kameraden schichten Baumstämme, Zweige und dicke Grasplacken über den unterirdischen Kommandostand. Zwei Rekruten wickeln das Kabel für das Feldtelefon ab. „Das ist jedenfalls abhörsicher“, erläutert Chefausbilder R. (28).
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe sich die Ausbildung an vielen Stellen deutlich verändert, sagt der Oberleutnant. „Wir bauen wieder richtige Grabensysteme.“ Die sollten von oben möglichst unsichtbar sein. Jahrzehntelang hätten die Soldaten nur gelernt, sich in flache Erdlöcher zu ducken. Aber der Ukrainekrieg mache deutlich: „Drohnen - klein und hässlich - sind die größte Bedrohung und die ist näher gerückt. Eigene Tarnung kann überlebenswichtig sein.“
Gefahr scheint noch weit entfernt
Einen Krieg wolle er nicht erleben, sagt Patrick. „Das will niemand.“ Er findet es auch normal, Angst zu haben. Dennoch schrecke er nicht vor einem Einsatz zurück, auch wenn er dabei sein Leben riskiere. Jeder Soldat sollte über Tod und Sterben nachdenken, findet der Stabsunteroffizier: „Ich setze mein Leben nicht leichtfertig aufs Spiel, sondern bewusst für eine gute Sache.“
Gerade scheint die Gefahr noch weit entfernt zu sein. Auf die erste Nacht im Biwak mit Schlafsack und Isomatte unter Zeltplanen freut sich der Stabsunteroffizier. Gemeinsam mit den anderen Rekruten hat er sich auf dem Waldboden um eine Feuerstelle eingerichtet. Tetrapaks mit Milch und Eistee stapeln sich zwischen Blättern und jungen Tannenschösslingen. Die Kameradschaft untereinander ist Patrick wichtig: „In diesen ersten zwei Monaten sind wir schon extrem zusammengewachsen. Das findet man sonst nirgendwo.“
Respekt statt Angst vor einem Krieg
Soldatin Jaida B. spürt keine Angst vor einem Krieg, allenfalls Respekt. Mit festem Griff hält die 23-Jährige das Gewehr vor dem Körper. „Wenn es so weit kommt, werde ich das deutsche Volk und seine Werte verteidigen.“ Die junge Frau, die aktuell den niedrigsten Dienstrang Schütze bekleidet, hat sich für 13 Jahre verpflichtet und die Offizierslaufbahn eingeschlagen. Sie wird in dieser Zeit an der Universität der Bundeswehr in München Wirtschaftswissenschaften studieren, so wie sie es sich erträumt hatte. „Ich wollte schon immer zur Bundeswehr“, erklärt Jaida.
Aber die Eltern waren zunächst dagegen. Deshalb begann sie ein duales Studium beim Zoll, das sie nun abgebrochen hat. Die Kameradschaft und der Zusammenhalt reizen auch Jaida bei der Bundeswehr. Die Eltern hätten noch immer Angst um ihre Tochter, sagt sie: „Aber sie sehen heute, dass mich das erfüllt.“
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Menschen zu verteidigen, „verleiht meinem Leben Sinn“
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Im Hintergrund ist das tiefe Grollen der Panzer zu hören, die nicht weit entfernt üben. Ansonsten herrscht im Wald Stille vor. Niemand brüllt Befehle. Die Ausbilder erklären ruhig und geduldig. Man duzt sich. „Wir betreiben hier Erwachsenenbildung“, erläutert R..
Er habe Frieden nie für selbstverständlich gehalten, sagt der Chefausbilder, der an der Universität der Bundeswehr Staats- und Sozialwissenschaften studiert hat. „Aber durch die russische Bedrohung macht man sich mehr Gedanken.“ Trotzdem ist der Oberleutnant sich immer noch „zu hundert Prozent“ sicher, den richtigen Beruf gewählt zu haben. Die Aussicht, Menschen zu verteidigen, die das selbst nicht könnten, gebe ihm ein gutes Gefühl: Etwas für andere zu tun, ohne etwas zurückzubekommen, „verleiht meinem Leben Sinn“.



