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Wohnungsauflösung: Was vom Leben übrig bleibt

  • Schlei Report
  • 12. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit

Wenn ein Angehöriger stirbt, sind Hinterbliebene nicht nur mit Trauer konfrontiert - sondern oft auch mit einer Haushaltsauflösung, die mitunter neue Perspektiven auf die verstorbene Person eröffnet. Expertinnen verraten, worauf dabei zu achten ist.


Hinterlassenschaften eines verstorbenen Angehörigen. Foto: epd / Jens Schulze
Hinterlassenschaften eines verstorbenen Angehörigen. Foto: epd / Jens Schulze

Kuckucksuhr, Nierentisch, Ölgemälde - das Haus von Anneliese B. gleicht einem Museum. In 99 Lebensjahren hat sich viel angesammelt. Bevor sie starb, wirkte all das nützlich und wertvoll. Nun sind sie vor allem eins: Ballast, der sortiert, weggeräumt oder entsorgt werden muss. Wie geht man möglichst respektvoll mit den Hinterlassenschaften Verstorbener um?


„Für viele Hinterbliebene ist das Aufräumen und Aussortieren nach einem Todesfall ein zweiter Abschied. Dinge, die der verstorbenen Person gehörten, tragen Erinnerungen in sich. Sich von ihnen zu trennen, kann sehr wehtun“, sagt Franziska Offermann, Trauerbegleiterin und Sprecherin des Bundesverbands Trauerbegleitung mit Sitz im rheinland-pfälzischen Klingenmünster. Sie rät, das Aus- und Aufräumen nicht nur als notwendige Aufgabe, sondern als Teil des Trauerprozesses zu begreifen - „als eine Möglichkeit, aktiv Abschied zu gestalten“.

Wenn Geheimnisse plötzlich zutage kommen

Das ist gar nicht so einfach, wenn ein Haus oder eine Wohnung, womöglich unter Zeitdruck, leer geräumt werden muss. Im Fall von Anneliese B. hat den Angehörigen geholfen, stufenweise vorzugehen. So wurden zuerst alle Unterlagen sortiert und daraufhin durchgeschaut, was davon wichtig sein könnte - nicht nur in finanzieller und juristischer Hinsicht, sondern auch in biografischer. Einige Fotos, Briefe und Urkunden habe die Familie aufgehoben, weil sie ein Stück Familiengeschichte dokumentieren, berichtet der Neffe von Anneliese B., die keine eigenen Kinder hatte.


Doch manchmal stoßen Angehörige bei der Sichtung von Papieren auch auf Hinweise, die ein neues Licht auf den Verstorbenen werfen. Unerwartete Beziehungen oder belastende Lebensumstände, von denen die Familie nichts wusste, kommen plötzlich zutage und können emotional aufwühlend sein. „Ein Austausch mit vertrauten Menschen, die den Verstorbenen kannten, kann helfen, die Funde einzuordnen und die eigenen Gefühle zu reflektieren“, empfiehlt Franziska Offermann.

Wohin mit all der Habe?

Im Fall von Anneliese B. gab es keine sonderlich überraschenden Funde. Die größte Last sei die Frage nach dem Umgang mit all ihrer Habe gewesen, sagt Thorsten G.: Wohin mit dem vielen Geschirr, den Antiquitäten, den Schmuckstücken, den Bildern, für die Verwandte und Freunde keinen Platz hatten oder die nicht ihren Geschmack trafen?


„Menschen haben für ihren Besitz gearbeitet, sich wohl mit diesen Dingen gefühlt. Es schmerzt, als Hinterbliebener die Sachen wegzugeben. Vor allem aber tut es in der Seele weh, wenn man sie vernichten muss, weil sie niemand haben will“, sagt Thorsten G. Er hat versucht, möglichst viel von den Sachen seiner Tante an gemeinnützige Einrichtungen zu spenden oder auf Flohmärkten und im Internet zu verkaufen. Teilweise vergeblich. Fand sich nach längerer Suche kein Abnehmer, blieb nur der Container als Lösung.


Spenden, verkaufen, verschenken - diese Möglichkeiten stehen auch für Tanja Kliemann aus Bremen an erster Stelle. Sie hat sich mit ihrem Aufräumservice vor allem auf eine „wertschätzende Haushaltsauflösung“ spezialisiert. Nicht wertschätzend ist aus ihrer Sicht „die Entrümpelung einer Wohnung oder eines Hauses, bei der wirklich alles unbedacht auf der Deponie landet“. Andererseits habe sie in den zehn Jahren ihrer Tätigkeit auch die Erfahrung gemacht, dass es für Angehörige befreiend sein kann, den kompletten Nachlass zu entsorgen - „meistens, wenn kein gutes Verhältnis zum Verstorbenen bestand“.


Kliemann empfiehlt, etwa vier Wochen nach dem Sterbedatum mit Aus- und Aufräumen zu beginnen, wenn kein Zeitdruck bestehe. Für die einen sei es ein hilfreicher Prozess, um sich intensiv zu verabschieden. Bei anderen wiederum sei die Trauer so überwältigend, dass sie es nicht schafften, die Räume überhaupt zu betreten, sagt sie. In diesen Fällen können Trauerbegleiter unterstützen.

Aufräumprozess als Ritual gestalten

Viele Trauerbegleiter arbeiten ehrenamtlich. Sie helfen in Gesprächen, mit dem Verlust umzugehen und unterstützen bei Bedarf auch in praktischen Dingen. Franziska Offermann rät, den Aufräumprozess als Ritual zu gestalten: „Ein möglicher Abschluss kann beispielsweise ein gemeinsamer Erinnerungskreis oder ein Umtrunk in der leeren Wohnung sein - ein Moment des Innehaltens, in dem gemeinsam an den Verstorbenen gedacht, erinnert und Dankbarkeit ausgedrückt wird.“ Für die Familie von Anneliese B. war es tröstlich, dass ihr Haus nicht lange leer stand. Nun wohnt dort eine junge Familie, die es mit Leben füllt.


Kerstin Hergt / epd


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